Eine virtuelle Mitgliederversammlung war vereinsrechtlich bereits bisher grundsätzlich möglich. Sie ist dann eine vollwertige Mitgliederversammlung, für deren Beschlüsse die allgemeinen Vorschriften in Gesetz und Satzung über die Beschlussfassung in der Mitgliederversammlung gelten. Eine virtuelle Mitgliederversammlung ist unstreitig jedenfalls dann zulässig, wenn – was in der Praxis bisher höchst selten ist – die Satzung eine solche Form der Mitgliederversammlung ausdrücklich zuläßt.
In Abwesenheit einer ausdrücklichen satzungsmäßigen Regelung war bisher fraglich, ob und unter welchen Voraussetzungen dennoch eine virtuelle Mitgliederversammlung zulässig ist. Die Rechtsprechung hat sich hierzu bisher nicht geäußert. Die Meinungen im vereinsrechtlichen Fachschrifttum sind geteilt. Nach einer wohl im Vordringen befindlichen Auffassung soll eine virtuelle Mitgliederversammlung auch ohne satzungsmäßige Grundlage zulässig sein, wenn alle Vereinsmitglieder dieser Form einer Mitgliederversammlung zustimmen. Diese Auffassung ist jedoch umstritten. Umstritten ist ferner, ob die Zustimmung – anders als im Fall des § 32 Absatz 2 BGB – der Schriftlichkeit bedarf. Das Erfordernis der Allzustimmung wird in der Praxis bei mitgliedsstarken Verbänden kaum realisierbar sein.
Der Gesetzgeber hat nunmehr in § 5 Absatz 2 des genannten Gesetzes dieser Rechtsunsicherheit – zumindest für eine befristete Zeit – durch folgende Ausnahmeregelung abgeholfen:
„Abweichend von § 32 Absatz 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs kann der Vorstand auch ohne Ermächtigung in der Satzung Vereinsmitgliedern ermöglichen,
- an der Mitgliederversammlung ohne Anwesenheit am Versammlungsort teilzunehmen und Mitgliederrechte im Wege der elektronischen Kommunikation auszuüben oder
- ohne Teilnahme an der Mitgliederversammlung ihre Stimmen vor der Durchführung der Mitgliederversammlung schriftlich abzugeben.“
Nach der Gesetzesbegründung soll durch die Nr. 1 den Vereinen ermöglicht werden, auch „virtuelle Mitgliederversammlungen“ durchzuführen, an denen sich die Mitglieder im Wege elektronischer Kommunikation zusammenfinden und ihre Mitgliedsrechte ausüben. Dabei ist auch möglich, dass ein Teil der Mitglieder oder Vorstandsmitglieder an einem bestimmten Ort zusammenkommt und andere Mitglieder an der Mitgliederversammlung im Wege elektronischer Kommunikation teilnehmen. Es fällt auf, dass der Gesetzgeber den Begriff „elektronische Kommunikation“ nicht näher konkretisiert hat. Es dürfte davon auszugehen sein, dass alle heute üblichen Kommunikationsmittel in Betracht kommen, z.B. Telefon- oder Videokonferenzen.
Die vorstehende Nr. 2 gibt dem Verein die Möglichkeit, auch eine vorherige schriftliche Stimmabgabe für Mitglieder zuzulassen, ohne dass sie an der Mitgliederversammlung (physisch) teilnehmen müssen. Diese Mitglieder müssen ihre Stimme vor Beginn der Mitgliederversammlung gegenüber dem Verein abgeben, damit sie bei der Beschlussfassung in der Mitgliederversammlung berücksichtigt werden können. Diese gesetzliche Regelung schließt damit aus, dass ein Mitglied sich erst während der Mitgliederversammlung – z.B. durch Stimmabgabe per Mail oder Fax – in den Beschlussvorgang einschaltet.