„Challenge accepted“: Verbände als Macher und Gestalter

Die deutschen Verbände und Organisationen haben die letzten Monate und Jahre effektiv genutzt, um sich neu auszurichten und zu positionieren. Damit zeigt sich die Verbandswelt gut gerüstet für die vielen Herausforderungen, die 2023 vor allen liegen.

Ein wenig überraschend ist es schon, wie positiv der Blick der DGVM-Mitgliedsverbände auf die zurückliegenden Monate ausfällt. Es heißt zwar oft, Krisenzeiten seien gute Zeiten für Verbände, doch dass dies auch für eine solche Hülle und Fülle an Themen gilt, die übergreifend praktisch alle Verbände treffen, ist von der Ausgangssituation her einmalig.

„In den Krisen der letzten Monate konnten alle Verbände, so auch wir, zeigen, wofür Verbände gut sind“, meint etwa Yorick Lowin vom Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk e. V. „Im normalen Alltag gehen die Bedeutung und das Leistungsangebot der Verbände bei den Mitgliedern oft einfach unter. Die Verbände waren in der Krise allgegenwärtig. Auf diesen Lorbeeren dürfen wir uns aber nicht ausruhen. Gerade jetzt gilt es, diesen positiven Impuls mitzunehmen und weiterhin bei den Mitgliedern präsent zu sein“, beschreibt er seine Verbandsziele.

Worauf ist Ihr Verband stolz, wenn Sie auf die letzten Monate zurückblicken?

Trends und Herausforderungen für die Verbandsarbeit im Jahr 2023, Befragung von DGVM-Mitgliedsverbänden, Mehrfachnennungen

Wo sehen Sie Ihre Herausforderungen im Verbandsjahr 2023?

Die Verbände können „Krise“

Seine Meinung scheint stellvertretend für den aktuellen Zeitgeist der Verbandswelt zu stehen. Die Verbände blicken selbstbewusst darauf, was sie geleistet haben: in der eigenen Geschäftsstelle, aber vor allem auch für ihre Mitglieder und für ihre Branche. Und das zahlt sich aus: „Wir sind auf den starken Zuwachs an neuen Mitgliedsunternehmen im letzten Jahr stolz. Trotz oder gerade wegen des schwierigen wirtschaftlichen Umfeldes (Corona, Ukrainekrieg, Energiekrise, Rohstoffknappheit, Fachkräftemangel) nutzen die Unternehmen in unserem Industriesektor die Verbandsarbeit für die notwendige Vernetzung in der Branche“, berichtet Dr. Elmar Witten von der AVK – Industrievereinigung Verstärkte Kunststoffe.

Und damit ist er nicht allein: Viele Verbände berichten von steigenden Mitgliederzahlen. Dabei hatten die DGVM-Jahresumfragen der beiden Vorjahre durchaus auch Unsicherheiten aufgezeigt. Doch die Verbände haben ihre Hausaufgaben offensichtlich gemacht und das ist alten und neuen Mitgliedern nicht entgangen.

Verbandstrends Umfrage 2023 - Trends im Verbandsmanagement

Digitalisierung muss weitergeführt werden

Schaut man in die Umfrage und auf die Top-Trends, so liegt die Digitalisierung auch 2023 deutlich auf Platz 1, aber die Ausgangslage hat sich verändert. Das Grundsetting steht und ist erledigt. Nun gilt es, die Möglichkeiten der Digitalisierung konsequent weiterzuentwickeln und sinnvoll für den Verband zu nutzen. Die „Kombination von ‚best of both worlds‘ für maximale Reichweite und Mitgliedernutzen“ gilt es zu erzielen, wie es Ralf Dürrwächter vom Verband Deutscher Werkzeug- und Formenbauer VDWF ausdrückt.

Volker Tschirch vom AGA Unternehmensverband unterstreicht das: „Wir verfolgen weiter den Anspruch, up to date zu sein und zu den Vorreitern in der Verbandslandschaft zu gehören. In diesem Jahr geht es vor allem darum, im Maschinenraum zu arbeiten und einige Digitalisierungsprojekte umzusetzen bzw. abzuschließen. Dass dabei immer mal wieder unerwartete Hürden auftauchen, ist normal. Aber ich bin optimistisch, dass wir unsere Ziele erreichen werden.“

Top-Trend 1: Die Digitalisierung vorantreiben

Die Grundlagen sind geschaffen und damit die Pflicht erfüllt. Jetzt folgt die Kür.

Positionierung und Markenschärfung abgeschlossen

War im vergangenen Jahr noch die Positionierung und Markenschärfung der wichtigste Top-Trend, so scheint diese Aufgabe für viele Verbände weitgehend abgeschlossen zu sein.

„Das Fundament stimmt, die Digitalisierung ist etabliert, das Engagement weiterhin groß“, schaut Florian Becker vom Bauherren-Schutzbund e. V. (BSB) positiv auf das vor ihm liegende Jahr.

Was durchweg alle Verbände begeistert nach vorne blicken lässt, ist die Rückkehr der Präsenzveranstaltungen. Der Bereich Mitgliederkommunikation liegt als Top-Thema auf Platz 2 und ist bei vielen in den Mittelpunkt der Aktivitäten gerückt. Endlich sieht man seine Mitglieder wieder!

Michael Stechert vom DDIM: „Durch die Aufnahme der für unsere Branche immens wichtigen Präsenzveranstaltungen zum persönlichen Netzwerken erhalten wir ein sehr wichtiges Element für die Verbandsarbeit zurück. Dies wirkt sich bereits jetzt positiv auf den Zusammenhalt in der Mitgliedschaft aus und beschert uns einen weiteren Zulauf an neuen Mitgliedern.“

Verbandsarbeit sichtbar machen

Aber 2023 geht es auch darum, die Verbandsarbeit für alle sichtbar, fühlbar und attraktiv zu machen, das zeigt die Platzierung des Ausbaus von Mehrwertleistungen auf Platz 3.

Ulrich Lotz von den Betonverbänden aus Baden-Württemberg plant, „der rückläufigen Baukonjunktur mit neuen Branchenservices zu begegnen“. Axel Schäfer vom Mobilitätsverband zeigt, dass das durchaus auch über Kooperationen mit anderen Verbänden gelingen kann: „Für das Thema betriebliche Mitarbeitermobilität sind wir sehr gut aufgestellt. Auch die korporative Verbindung mit anderen Verbänden entwickelt sich positiv und kann die Arbeit für unsere Mitglieder und die Mitglieder der jeweiligen Partnerverbände positiv beeinflussen.“

Top-Trend 2: Die Mitgliederkommunikation intensivieren

Zurück in Präsenz – das scheint ein wichtiger Erfolgsfaktor zu sein.

Klimaschutz und Nachhaltigkeit fest verankert in allen Verbänden

Klimaschutz und Nachhaltigkeit sind – wie nicht anders zu erwarten – auf Platz 5 und damit weit vorne bei den Themen des Jahres platziert. Hier werden 2023 alle Verbände gefordert sein. Die Bandbreite, mit der sich die Verbände inhaltlich mit diesen drängenden Fragen auseinandersetzen, ist enorm. Viele tun das schon sehr lange, wie Dr. Sabine Eichner vom DTI berichtet: „Bereits seit Jahren beschäftigen wir uns aktiv mit Ressourceneffizienz, Klimaschutz, Lebensmittelverlusten, Klimabilanzen. Hier haben wir viel Know-how aufgebaut und stellen unseren Mitgliedern eine Plattform für den Austausch zur Verfügung.“

Florian Becker (BSB): „Das Thema Klimaschutz & Nachhaltigkeit nimmt weiter an Bedeutung zu. Längst geht es darum, es als selbstverständlichen Teil in die Arbeit zu integrieren und das Thema nicht mehr als ein ‚Sonderprojekt‘ zu behandeln.“

Top-Trend 5: Nachhaltigkeit und Klimaschutz

Das Streben nach Nachhaltigkeit wird zum festen Bestandteil der Verbandsarbeit.

PERSONALSUCHE EXTREM SCHWIERIG

Sorgen bereitet vielen Verbänden aber der Faktor Mensch – im Ehrenamt wie auch im Hauptamt. Während sich die Ansprache geeigneter Kandidatinnen und Kandidaten für die Ausschuss- und Gremienarbeit schon länger schwierig gestaltet (Platz 4), so gibt es jetzt auch immer größere Probleme, geeignete Mitarbeiter für die Geschäftsstellen zu finden. In nur zwei Jahren hat sich der Trend aus der Bedeutungslosigkeit massiv verstärkt. Diese Tendenz ist besorgniserregend.
Tina Palme vom Bundesverband Materialwirtschaft gibt zur Situation für ihre Hauptgeschäftsstelle in Frankfurt am Main ein ernüchterndes Statement ab: „Die Suche nach geeigneten Bewerbern ist fast aussichtslos.“

Trotz fortschreitender Digitalisierung zeigt sich, dass das Team einer Verbandsgeschäftsstelle ein ganz wichtiger Garant für den Verbandserfolg ist.
Das zeigt sich auch in den diesjährigen Statements, es menschelt hier auffällig, gerade im Rückblick auf die zurückliegenden Monate und Jahre. Jürgen Kümpel vom VME Nordhessen resümiert das stellvertretend für viele Verbände: „Stolz bin ich auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unserem Verband, die während der Pandemie und nun auch auf dem Weg aus ihr heraus eine große Resilienz und Flexibilität beweisen. Manch Altbewährtes wurde durch neue Methoden und Wege abgelöst, aber alle ziehen überzeugt mit. Dadurch entwickelt sich auch der Verband im Ganzen weiter.“

Trend-Aufsteiger des Jahres: Mitarbeiter/-innen für das Hauptamt gewinnen und halten

Der Faktor Mensch ist für erfolgreiche Verbände entscheidend.

Aktiv am Teamgeist arbeiten

Die jüngste Zeit hat bewiesen, dass remote gut funktioniert, aber der Teamgedanke und die Begeisterung für die Verbandsarbeit dürfen nicht verloren gehen. „Nachdem das Team der Geschäftsstelle pandemiebedingt fast zwei Jahre überwiegend remote arbeiten musste, haben wir seit ca. einem Dreivierteljahr einen großen Schwerpunkt auf zahlreiche Maßnahmen zur Stärkung des Teamspirits gelegt, die bereits heute erste Früchte tragen“, berichtet Michael Steinmetz von der Deutschen Aktuarvereinigung. Er ergänzt: „Darüber hinaus werden wir in Kürze die Geschäftsräume der Geschäftsstelle modern umgestalten und eine neue Heimat für den persönlichen Austausch und eine enge
Interaktion bieten. Auf diesen frischen Wind im Miteinander und in der Arbeitsumgebung freuen wir uns sehr!“

Neue Mitarbeitende zu gewinnen, wird die eine Herausforderung sein, das bestehende Team aktiv zu festigen und (wieder) zusammenzuführen, wird das Verbandsjahr aber ebenso als Aufgabe prägen.

Michael Forster vom BDS in Bayern drückt es mit Blick auf die zurückliegende Zeit so aus: „In einem guten Team konnten wir vieles zum Guten wenden.“
Wissen und Wärme – das scheinen auch 2023 entscheidende Grundlagen für einen erfolgreichen Verband zu sein. Und dagegen können auch Chat GPT oder das Metaverse nicht entscheidend punkten.

Alles in allem präsentieren sich die DGVM-Mitgliedsverbände durchweg sehr gut aufgestellt für 2023, auch wenn das Jahr von neuen und alten Krisen geprägt sein wird.

Was lässt Sie zuversichtlich auf 2023 blicken?

Verbandstrends Umfrage 2023 - Entwicklung einzelner Trends seit 2016

Hinweis: Die Umfrage wurde in Kooperation mit dem Verbändereport erstellt. Der Inhalt ist urheberrechtlich geschützt. Die Inhalte dienen ausschließlich zur individuellen Information des Nutzers. Eine Speicherung in Datenbanken sowie jegliche Weitergabe an Dritte im Rahmen gewerblicher Nutzung oder zur gewerblichen Nutzung sind nur mit schriftlicher Genehmigung  gestattet.