BGH-Urteil: Verbands-Geschäftsführer mit Organstellung verliert Zulassung als Syndikusanwalt

BGH stellt hohe Anforderungen an die Weisungsunabhängigkeit von Vereins-Geschäftsführern, die (auch) als Syndikusanwälte tätig sein wollen

Für die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt ist es gem. § 46 Abs. 4 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) grundsätzlich erforderlich, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die fachliche Weisungsunabhängigkeit in anwaltlichen Angelegenheiten vertraglich bestätigt. Wird der Antragssteller nicht mit einem Arbeitsvertrag, sondern mit einem Dienstvertrag beschäftigt, etwa als Vereins-Geschäftsführer, bedarf es mehr als einer bloßen vertraglichen Vereinbarung. Die Weisungsunabhängigkeit muss auch in der Satzung des Vereins verankert werden und satzungsmäßige Weisungsbefugnisse – etwa der Mitgliederversammlung gegenüber dem Geschäftsführer – müssen im Hinblick auf die anwaltliche Tätigkeit als Syndikus ausdrücklich in der Satzung aufgehoben sein. Die bloße Aufhebung im Rahmen des Dienstvertrages genügt nicht. 

  1. Einleitung und Sachverhalt

Der BGH (Urt. vom 24.10.2022, Az. AnwZ (Brfg) 33/21) hatte über den Zulassungsantrag eines niedergelassenen Rechtsanwalts bei der Rechtsanwaltskammer Schleswig-Holstein zu entscheiden. Der Rechtsanwalt hatte mit einem Arbeitgeberverband in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins mit Wirkung zum 1. April 2020 einen Geschäftsführer-Dienstvertrag geschlossen. Er sollte dem Verband als Mitglied des Vorstands angehören und damit den Verband vertreten. Anlage zum Anstellungsvertrag war eine Tätigkeitsbeschreibung, wonach der Rechtsanwalt den Vorstand, die Fach- und Führungskräfte und die Mitgliedsunternehmen des Verbands in allen rechtlichen und juristischen Fragen zu beraten habe. Die vorgelegte Tätigkeitsbeschreibung bescheinigte dem Rechtsanwalt, dass er zu über 60 Prozent anwaltlich tätig sei und auch die fachliche Weisungsunabhängigkeit wurde in dem Anstellungsvertrag ausdrücklich gewährleistet.

Die Rechtsanwaltskammer ließ daraufhin den Antragsteller als Syndikusrechtsanwalt zu. Auch der hier zugrundeliegende Anstellungsvertag sei seiner Ausgestaltung nach als Arbeitsvertrag anzusehen. Denn der Gesetzgeber habe nicht das Ziel verfolgt, ausschließlich solche Personen eine Zulassung zu ermöglichen, die im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses einer arbeitsrechtlichen Weisungsbefugnis unterlägen. Sachliche Gründe dafür, die Zulassung bei Bestehen einer Organstellung auszuschließen, seien nicht ersichtlich. Und auch die anwaltliche Tätigkeit sei ausreichend nachgewiesen.

Gegen diese Entscheidung klagte die Deutsche Rentenversicherung (DRV). Der Anwaltsgerichtshof von Schleswig-Holstein wies die Klage jedoch ab. Zur Begründung wurde angeführt, dass die Zulassung des Beigeladenen als Syndikusrechtsanwalt rechtmäßig sei. Insbesondere liege das von § 46 Abs. 2 Satz 1 BRAO geforderte Arbeitsverhältnis vor, auch wenn es sich nicht um ein Arbeitsverhältnis im arbeitsrechtlichen Sinne handele. Es sei nicht ersichtlich, dass die fachliche Weisungsunabhängigkeit, die für die anwaltliche Tätigkeit gegeben sein muss, nur bei einem Arbeitsvertrag möglich ist. Vielmehr sei dies auch bei einer Organstellung möglich.

Die Klägerin ist der Meinung, dass die fachliche Unabhängigkeit des Geschäftsführers eines eingetragenen Vereins auch in der Satzung fundiert sein müsse. Der Beigeladene sei auch deshalb in anwaltlichen Fragen nicht fachlich unabhängig, weil er nach der Satzung dem Vorstand angehöre, der gemäß § 27 Abs. 3 Satz 1 der in Rede stehenden Satzung i.V.m. § 665 BGB der Weisungsbefugnis der Mitgliederversammlung unterliege. Die Klägerin beantragt daher die Berufung zurückzuweisen.

Der beigeladene Rechtsanwalt war hingegen der Auffassung, dass das in der Satzung verankerte Weisungsrecht nichts weiter als eine Ausprägung des Direktionsrechts des Arbeitgebers sei, welches in diesem Fall dem Vorstand im Verhältnis zum Geschäftsführer vorbehalten sei. Der Geschäftsführer sei nach der Satzung nur ein gewillkürtes Organ als besonderer Vertreter im Sinne des § 30 BGB. Außerdem gebe es im Vereinsrecht keine allgemeine Weisungsbefugnis des Kollektivorgans nach § 37 GmbHG analog.

 

  1. Aus den Gründen

Der BGH befand, dass der beigeladene Rechtsanwalt zu Unrecht als Syndikusrechtsanwalt zugelassen wurde und hob die Entscheidung des schleswig-holsteinischen Anwaltsgerichtshofes auf.

Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft als Syndikusrechtsanwalt ist gemäß § 46a Abs. 1 Satz 1 BRAO auf Antrag zu erteilen, wenn die allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen zum Beruf des Rechtsanwalts gemäß § 4 BRAO erfüllt sind, kein Zulassungsversagungsgrund nach § 7 BRAO vorliegt und die Tätigkeit den Anforderungen des § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO entspricht.

Ob ein Arbeitsverhältnis im Sinne des § 46 Abs. 2 BRAO vorliegt, kann nach dem BGH dahinstehen, weil die fachliche Unabhängigkeit des Beigeladenen entgegen § 46 Abs. 4 Satz 2 BRAO vertraglich nicht gewährleistet ist. Zwar enthält der Anstellungsvertrag ein Weisungsverbot, allerdings unterstellt die Satzung den Geschäftsführer als Organ des Vereins den Weisungen des Vorstands.

Um im Organverhältnis die fachliche Unabhängigkeit des Beigeladenen zu gewährleisten, wäre nach dem BGH aber eine entsprechende Bestimmung in der Satzung selbst erforderlich gewesen.

Der Beigeladene unterliegt der Satzung nach der Aufsicht und der Weisung des Vorstands. Diese Regelung bewirkt, dass die Stellung des Beigeladenen mit derjenigen eines Geschäftsführers einer GmbH vergleichbar ist. Der Geschäftsführer einer GmbH hat gemäß § 37 Abs. 1 GmbHG die Beschränkungen einzuhalten, die für den Umfang seiner Befugnis, die Gesellschaft zu vertreten, durch den Gesellschaftsvertrag oder, soweit dieser nicht ein anderes bestimmt, durch die Beschlüsse der Gesellschafter festgesetzt sind. Danach hat er grundsätzlich Weisungen der Gesellschafterversammlung zu jeder Geschäftsführerangelegenheit zu befolgen, sofern nicht der Gesellschaftsvertrag eine abweichende Regelung enthält (vgl.  BGH, Urt. vom 13. Mai 2022 – AnwZ (Brfg) 21/21 und vom 7. Dezember 2020 – AnwZ (Brfg) 17/2). Ein nur dienstvertraglich vereinbartes Weisungsverbot reicht hingegen nicht aus.

Das Weisungsrecht in § 24 Nr. 2 Satz 1 der hier maßgeblichen Satzung regelt das Innenverhältnis zwischen den Organen Geschäftsführer und Vorstand und ist entgegen der Ansicht des Beigeladenen keine arbeitsvertragliche Regelung. Nichts anderes ergibt sich aus der Tatsache, dass der Geschäftsführer aufgrund der am 28. Juli 2022 eingetragenen Satzungsänderung „nur“ noch ein besonderer Vertreter im Sinne des § 30 BGB sein soll. Denn auch dieser ist ein Vereinsorgan, dessen Stellung im Innenverhältnis sich nach der Satzung richtet (vgl. MünchKommBGB/Leuschner, 9. Aufl., § 30 Rn. 11).

Das in der Satzung verankerte Weisungsrecht wird durch den Anstellungsvertrag nicht ausgeschlossen. Entgegen der Ansicht des Anwaltsgerichtshofs enthält § 25 Nr. 2 der Satzung keine Ermächtigung des Vorstands, von den Bestimmungen der Satzung abzuweichen.

Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Regelung erschöpfen sich darin, die Anstellungskompetenz dem Vorstand zuzuweisen, womit von dem ansonsten bestehenden Grundsatz abgewichen wird, wonach demjenigen Organ, das die Bestellungskompetenz innehat, auch die Anstellungskompetenz zusteht. Bereits dadurch, dass dem Vorstand nur die Anstellungskompetenz zugewiesen wird, wird deutlich, dass er gerade nicht dazu befugt sein soll, Bestimmungen hinsichtlich der Organstellung des Geschäftsführers zu treffen.

Weichen die Bestimmungen in Satzung und Anstellungsvertrag voneinander ab, so gehen die Bestimmungen der Satzung den Bestimmungen des Anstellungsvertrags vor.

Nach den damals geltenden Regelungen war der Geschäftsführer des Verbands vertretungsberechtigtes Mitglied des Vorstands im Sinne des § 26 BGB. Der Mitgliederversammlung steht, falls die Satzung – wie hier – keine anderweitige Regelung trifft, das Recht zu, den vertretungsberechtigten Vorstandsmitgliedern Weisungen zu erteilen (vgl. § 27 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 665 Satz 1 BGB. Die Weisungen können sich dabei auch an ein einzelnes Vorstandsmitglied richten, beispielsweise wenn dieses allein mit einer bestimmten Aufgabe betraut ist. Somit ist es nicht ausgeschlossen, dass eine Weisung nur an den Geschäftsführer als Mitglied des Vorstands ergeht. Auch diese Weisungsunterworfenheit konnte durch die Bestimmungen im Anstellungsvertrag des Beigeladenen nicht wirksam entkräftet oder gar aufgehoben werden.

Nach der Ansicht des BGH wäre damit eine Satzungsänderung erforderlich gewesen wäre, damit der Geschäftsführer auch als Syndikusrechtsanwalt zugelassen hätte werden können. Diese Änderung ist zwar – in Bezug auf den streitgegenständlichen Arbeitgeberverband – mittlerweile erfolgt, diese ist aber nicht rückwirkend auf die angegriffene Zulassungsentscheidung anwendbar.

Zum Urteil: BGH (Urt. vom 24.10.2022, Az. AnwZ (Brfg) 33/21)

  1. Anmerkungen

Die vorliegende Entscheidung erhöht die Anforderungen an die Zulassung von Syndikusrechtsanwälten, die zugleich beispielsweise als Mitglied des Vorstandes oder als besonderer Vertreter i.S.d. § 30 BGB in der Funktion als Geschäftsführer in einem Verein tätig sind, enorm. Der BGH legt die Vorschrift des § 46 Abs. 4 BRAO sehr restriktiv aus und verdeutlicht, dass einem Vereins-Geschäftsführer, der Syndikusanwalt werden will, die Weisungsunabhängigkeit in der Satzung garantiert werden muss. Allein ein Passus im Arbeitsvertrag genügt mithin nicht. Da der Geschäftsführer der Vereinssatzung nach den Weisungen des Vorstands, dem er selbst angehört, unterliegt, ist die Stellung des Antragstellers mit der eines GmbH-Geschäftsführers vergleichbar und daher sind die entsprechenden Grundsätze der Rechtsprechung des Senats auf den Vereinsgeschäftsführer hier anwendbar. Für Verbände bedeutet dies, dass sie ihre Satzungen hinsichtlich einer solchen Regelung genau überprüfen und bei Bedarf ändern müssen. Ob bei Anstellungsverträgen, wie im vorliegenden Fall, die keine Arbeitsverträge sind, überhaupt eine Syndikuszulassung möglich ist, lässt der BGH bisher offen. Hier bleibt es abzuwarten, was in Zukunft dazu entschieden werden könnte. Verbänden bleibt bis dahin nur die Möglichkeit ihre Satzungen fortwährend anhand einer ggf. künftigen Rechtsprechung zu überprüfen und sodann entsprechend zu handeln. Eine klare Regelung seitens des Gesetzgebers wäre an dieser Stelle wünschenswert. (JE)