Aspekte der Nachhaltigkeit bei Entscheidungen zu berücksichtigen ist heute eine Selbstverständlichkeit. Die Frage, wie das Thema nett und als Gewinn verpackt werden kann, stellt sich nicht mehr. Es ist schlichtweg keine Option, Nachhaltigkeit im eigenen Handeln außer Acht zu lassen. Dies zeigt sich in den konkreten Anforderungen seitens des Gesetzgebers.

Seit dem 01.01.2024 gilt das Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen und umweltbezogenen Risiken (LkSG) auch für Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden. Zudem löst die CSRD – Corporate Sustainability Reporting Directive in diesem Jahr vollständig die Nonfinancial Reporting Directive (NFRD) ab. Entsprechend müssen Unternehmen, die zur Abgabe einer nichtfinanziellen Erklärung verpflichtet sind,  ab dem laufenden Jahr 2024 gemäß ESRS – European Sustainability Reporing Standards zu ihren Nachhaltigkeitsinitiativen berichten. Der Anwendungsbereich weitet sich in den folgenden Jahren auf bestimmte kleine und mittlere Unternehmen aus.

Überblick im Kürzel-Chaos

Wird über Nachhaltigkeitsanforderungen gesprochen, landet man schnell in einem unübersichtlichen Chaos aus Abkürzungen für Richtlinien, Verordnungen, Gesetze, Standards. Die folgenden Tabs definieren einige von ihnen.

  • LkSG

    Das Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz (LkSG) verpflichtet Unternehmen dazu, menschenrechtliche und umweltbezogene Standards entlang ihrer Lieferketten zu überwachen und sicherzustellen.

  • CSRD

    Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) ist eine EU-Richtlinie, die die Offenlegung von nachhaltigkeitsbezogenen Informationen für große Unternehmen anordnet, um Transparenz und Vergleichbarkeit in Bezug auf Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekte zu fördern.

  • ESRS

    Die European Sustainability Reporing Standards (ESRS) übersetzen die Inhalte aus der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) in einen EU-weit vereinheitlichten Berichterstattungsstandard für die Nachhaltigkeitbestrebungen zu Umwelt, Sozialem und guter Führung von Unternehmen.

  • GRI-Standards

    Die Global Reporting Initiative gibt einen Standard (GRI-Standards) heraus, der inzwischen ein global anerkanntes Rahmenwerk für die Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten geworden ist.  Organisationen können damit auf eine systematische, transparente und strukturierte Weise Informationen zu ihren wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Leistung offenlegen.

  • NFRD

    Die Nonfinancial Reporting Directive (NFRD) ist eine EU-Richtlinie, die Unternehmen mit öffentlichem Interesse dazu verpflichtet, nichtfinanzielle Informationen in ihren Geschäftsberichten offenzulegen. Die NFRD läuft 2023 aus und wird durch die CSRD ersetzt.

  • ESG

    Die Abkürzung ESG steht für Environment, Social und Governance und wird üblicherweise genutzt, um Nachhaltigkeitskriterien für Unternehmen und Organisationen zusammenzufassen. Dabei zielt Environment auf ökologische Aspekte, wie Umweltverschmutzung und Emissionen ab. Social nimmt die Berücksichtigung von Mitarbeitendensicherheit und -Gesundheit ins Blickfeld. Governance hält fest, dass die Grundsätze guter Unternehmensführung eingehalten werden.

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Von der Kür zur Pflicht

In der Folge ergibt sich insbesondere für Wirtschaftsverbände Handlungsdruck. Die Mitglieder erwarten Unterstützung für die Umsetzung dieser Anforderungen. Auch der Gesetzgeber nimmt Verbände in die Pflicht. So hält das LkSG fest, dass gewisse Maßnahmen „im Rahmen von Brancheninitiativen und Branchenstandards“ (§ 7 Abs. 2 Nr. 2 LkSG) angestoßen, bzw. „die Umsetzung von branchenspezifischen oder branchenübergreifenden Initiativen“ (§ 9 Abs. 3 Nr. 2 LkSG) unterstützt werden sollen. Auch wenn das LkSG erst Anfang 2023 in Kraft trat, hatten einige Branchen und Verbänden das Thema Nachhaltigkeit bereits vor Jahren auf der Agenda – besonders dann, wenn sie aufgrund eines klimaschädlichen Images mit öffentlicher Kritik konfrontiert waren. Viele dieser Verbände haben inzwischen eigene Abteilungen, Veranstaltungsreihen und Tools zur Förderung von Nachhaltigkeit etabliert. Andere Organisationen greifen das Thema jetzt auf und loten das Feld gerade erst für sich aus. Die Erwartungshaltung der Gesellschaft steigt und deshalb führt kein Weg mehr an Nachhaltigkeitsinitiativen vorbei. Sowohl bei ersten Schritten, als auch bei umfassenden Aktivtäten zu Nachhaltigkeit zeigen Verbände ganz unterschiedliche Herangehensweisen und Ansätze.

Strategie & Geschäftsstelle

Einige Verbände verankern Nachhaltigkeit in der Führungsebene und integrieren das Engagement für Umwelt, Menschenrechte und Soziales in ihre Strategie. Der Bauern- und Winzerverband Rheinland Nassau e. V. hält beispielsweise in seinem Leitbild fest, dass seine Mitglieder durch „die nachhaltige und Rohstoffe schonende Bewirtschaftung des Bodens die einzigartige Kulturlandschaft an Rhein, Mosel, Nahe und Ahr…“ pflegen und erhalten. Der Verband versteht nachhaltiges und unternehmerisches Handeln als Grundlage und Bestandteil seiner Werte. Der Deutsche Museumsbund e.V. hat „Nachhaltigkeit als traversalen Schwerpunkt“ seiner Verbandsarbeit auf der Mitgliederversammlung 2021 bestätigt und setzt  mit diesem Anspruch unterschiedliche Projekte, Arbeitshilfen und Maßnahmen um. Daneben ist das Thema in Fachgruppen und Arbeitskreisen verankert. Auch der Verband der deutschen Lack- und Druckfarbenindustrie e.V. verabschiedete auf seiner Jahresversammlung Nachhaltigkeitsbranchenziele, die an bestehende Initiativen anknüpfen.

Darüber hinaus streben Verbände Nachhaltigkeit in ihren eigenen Organisationen an, indem sie ihre Geschäftsstellen klimaneutral unterhalten. Dieses Ziel verfolgt beispielsweise der Genoverband e.V. (ehemals Genossenschaftsverband – Verband der Regionen e.V.). Er hat eine strukturierte Analyse aller Aktivitäten unternommen und gibt eine umfassende Nachhaltigkeitserklärung anhand des Deutschen Nachhaltigkeitskodex ab.

 

 

DGVM-Mitgliedsverbände zum Thema
Nachhaltigkeit & Mitglieder

Wir müssen als Verband unsere Mitgliedsbetrieben noch besser dabei unterstützen, ihre bisherigen Maßnahmen im Bereich Nachhaltigkeit und Umweltschutz der Öffentlichkeit besser zu präsentieren. Dazu braucht es Kampagnen, diese möchten wir im neuen Jahr angehen.
Thomas Perzl, Bund der Selbständigen - Gewerbeverband Bayern e. V.
Für uns als Biotech-Industrieverband ist es selbstverständlich, dass der Umgang mit Klimawandel und Energiewende eine große Herausforderung darstellt. Mit Biotechnologie werden wir den Weg zu einer echten Kreislaufwirtschaft ebnen, die vom Verbrauch der Ressourcen zum echten Wiederverwenden umsteuert. Unsere Mitglieder sind Treiber der Transformation in eine nachhaltige biobasierte Wirtschaft, die Bioökonomie.
Dr. Viola Bronsema, BIO Deutschland e.V.

Verbände als Multiplikator in Sachen Nachhaltigkeit

Viele Verbände verstehen sich als Kompetenzzentren und unterstützen ihre Mitglieder dabei, Nachhaltigkeit umzusetzen. Sie arbeiten Leitfäden und Tools aus, etablieren Normen und Zertifizierungen in ihren Branchen und fördern Weiterbildungen zur Befähigung ihrer Mitglieder. So teilt der Verband Deutsches Reisemanagement e.V. (VDR) Business Cases für nachhaltige Geschäftsreisen und bietet Schulungen für nachhaltige geschäftliche Mobilität an. Damit liefert er Know-How und Inspiration für die Umsetzung. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt der Bundesverband der Arzneimittelhersteller e.V.. Er präsentiert auf seiner Website Erfolgsbeispiele und schreibt daneben einen Nachhaltigkeitspreis für die Branche aus. Der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V. hat ein Policy Paper zur Förderung von Nachhaltigkeit an Hochschulen erarbeitet. Auch der Deutsche Fußball-Bund e.V. hat umfangreiche Maßnahmenempfehlungen für mehr Nachhaltigkeit im Amateursport herausgearbeitet.

DGVM-Mitgliedsverbände zum Thema
Nachhaltigkeit & Positionierung

Die Bewältigung der Zukunftsherausforderungen wie z.B. beim Klimaschutz wird nur mit der Innovations- und Transformationskraft der Marktwirtschaft und des Wettbewerbs gelingen. Diese Möglichkeiten müssen wir als Verbände der Politik und der Öffentlichkeit stärker vermitteln und den Umbau unserer Wirtschaft und Gesellschaft aktiv mitgestalten.
Dr, Sabine Eichner, Deutsches Tiefkühlinstitut e.V.
Wasser, und damit auch Mineral- und Heilwasser, wird wegen der Ressourcen, des Klimawandels und der Umweltbelastungen mehr denn je hinterfragt. Gerade im Bereich des gesellschaftlichen Diskurses und der politischen Positionierung gilt es, offensiv mit den damit verbundenen Fragestellungen umzugehen. Der Handelsverband für Heil- und mineralwasser empfindet das nicht als Bedrohung, sondern als Herausforderung und Chance.
Peter Hahn, Handelsverband für Heil- und Mineralwasser e.V.
Der Kampf gegen den Klimawandel ist bei der AGEV bereits seit 2006 Thema von Projekten und Kampagnen gewesen, als wir den Begriff „Greentech“ prägten und effiziente Rechenzentren vorstellten. Es war ein viele Jahre von Unverständnis gesäumter Weg, der endlich Wertschätzung erfährt und jetzt von vielen Unterstützern mitgegangen wird.
Franz J. Grömping, AGEV e.V.

Verbände als Sprachrohr: Aufklärung und Austausch zu Nachhaltigkeit

Schließlich spielen Informationsarbeit, politische Vertretung und Positionierung eine große Rolle. Verbände gehen Partnerschaften und Kooperationen ein, um den Austausch zu Nachhaltigkeitsthemen und damit die Nachhaltigkeitstransformation ihrer Branchen zu fördern. So engagieren sich beispielsweise die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen e.V., der Deutsche Olympische Sportbund, der Bund Deutscher Architektinnen und Architekten e.V., der Bundesdeutsche Arbeitskreise für Umweltbewusstes Management e.V., Chemie ³, der Bundesverband Spedition und Logistik und der Bundesverband Industriekommunikation e.V., bzw. außerdem der Verein Deutscher Ingenieure e.V., der Verein Deutscher Zementwerke e.V., die Industrievereinigung Kunststoffverpackungen e.V., der Bundesverband der Systemgastronomie e.V., der Zentralverband Deutsches Kfz-Gewerbe e. V., der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V., der Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie e. V sowie der Industrieverband Körperpflege und Waschmittel e.V. als Partnerinstitutionen und als Branchenpartner des Deutschen Nachhaltigkeitspreis.

Daneben setzen sich Verbände für die öffentlichen Aufklärung und Positionierung ihrer Mitglieder ein. So hat der Deutsche Naturwerkstein-Verband e.V. die Ökobilanzen von verschiedenen Bodenbelägen in wissenschaftlichen Studien analysieren lassen. Die Produktvergleiche sollen zu informierten Entscheidungen beitragen.

 

 

Im ersten Schritt sollten sich Verbände über ihre Ziele und Intentionen im Zusammenhang mit angedachten Nachhaltigkeitsinitiativen bewusst werden. Im Anschluss daran kann Nachhaltigkeit in die Verbandsstrategie integriert werden. Stephan Mellinghoff und Michael Zurkinden erläutern die Vorgehensweise in ihrem Verbändereport-Beitrag:

Nachhaltigkeit in der Verbandsstrategie – Challenge accepted!?


Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, das Thema Nachhaltigkeit in die Organisationstruktur einzubetten und personell zu stemmen. Einige Verbände haben bereits Nachhaltigkeitsverantwortliche eingestellt oder Referenten-Positionen besetzt. Diese bearbeiten die Herausforderungen meist als Querschnittsthema oder als Stabstelle. Der Verbändereport-Beitrag „Nur noch kurz die Welt retten“ zeigt anhand von Interviews mit drei verbandlichen Nachhaltigkeitsverantwortlichen, welche Kompetenzen es braucht und wie Initiativen operativ realisiert werden.

Nur noch kurz die Welt retten

Daran anknüpfend können Verbände Schwerpunkte für die Umsetzung ihrer Nachhaltigkeitsinitiativen setzen. Entsprechend der oben aufgeführten Beispiele kann das Engagement für Umwelt, Soziales und gute Führung in der eigenen Geschäftsstelle, zur Unterstützung der Mitglieder und in der Positionierung von Branche und Verband stattfinden.

Wie kann  die Verbandsgeschäftsstelle in eine nachhaltige Organisation  transformiert werden?

André Gorpe erläutert im Verbändereport-Beitrag „Nachhaltig als Verband agieren“ (03/2022) aus der Innenperspektive, wie die Umsetzung von Nachhaltigkeit beim Steuerberaterverband Niedersachen Sachsen-Anhalt e. V. gelang: Link 

Dr. Katharina Reuter gibt im Verbändereport 05/2021 mit „Volle Kraft voraus beim Thema Nachhaltigkeit“ einen Erfahrungsbericht, wie sie die Geschäftsstelle des Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft e.V. nachhaltig aufgestellt hat: Link

Patrick Belowski schreibt im Verbändereport 03/2022 über die digitale Infrastruktur von Verbänden und beschreibt in „Tempolimit fürs Netz“ die Vorteile grüner Websites: Link 

Schließlich sind auch Veranstaltungen für die Unterhaltung des Verbandes entscheidend – insbesondere die jährliche Mitgliederversammlung. Jürgen May legt im Verbändereport 04/2023 dar, wie „nachhaltige Veranstaltungen im Verband“ umgesetzt werden können: Link

Wie gelingt es, die Mitglieder in Nachhaltigkeitsinitiativen einzubeziehen, Expertise zu heben und damit ein Verbandsangebot mit Mehrwert zu schaffen?

Claudia Michel stellt im Verbändereport 03/2023 den „VDWF-Arbeitskreis Nachhaltigkeit“ vor und legt dar, wie ein Kompendium von den Mitgliedern und für die Mitglieder entstanden ist: Link 

Daniel Schrapp gibt im Verbändereport 03/2023 Aufschluss darüber, wie die Chemie-Branche Hessen bzw. Chemie³ mit einem Nachhaltigkeitspreis „Nachhaltigkeit in der Ausbildung“ etabliert: Link

Wie leisten Verbände politische und öffentliche Informationsarbeit, die eine nachhaltige Positionierung sicherstellt?

Stefan Schemionek erläutert im Artikel „Beton als Klimakiller“ des Verbändereport 03/2023, wie der Bundesfachverband Betonkanalsysteme FBS einen datenbasierten Imagewandel seiner Branche bewirkt hat: Link

Katharina Mayer vom Verband der Chemischen Industrie e.V. und Mara Hancker von der Industrievereinigung Kunststoffverpackungen e.V. geben im Verbändereport 03/2022 Einblicke, wie sie den europäischen Nachhaltigkeitsregulierungen begegnen: Link

Engagiert sich auch Ihr Verband in Sachen Nachhaltigkeit?

Wir freuen uns über Ihre Aktionen und Ideen für Klimaschutz. Schreiben Sie uns:

geschaeftsstelle@dgvm.de 

 

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