Tim Richter wird beim 17. Deutschen Verbändekongress von 16.-17.03.2020 in Berlin über die Möglichkeiten von Lobbying in sozialen Netzwerken referieren. Wir haben uns im Interview schon jetzt mit ihm darüber unterhalten.
Welche Möglichkeiten gibt es, Lobbying über Social Media Plattformen zu betreiben?
Richter: Ich bin kein großer Fan des Begriffs „Lobbying“ in den sozialen Medien. Vielmehr übernimmt die Präsentation der eigenen verbandlichen Positionen in den sozialen Medien eine breitere Funktion: nämlich die der Interessenvertretung. Es ist zudem auch zu beobachten, dass die klassische Trennung von einerseits Presse-/Öffentlichkeitsarbeit und andererseits Lobbying immer weiter aufbricht und zu einem ganzheitlicheren Ansatz führt. Interessenvertretung in den sozialen Medien ist insofern also Kommunikation der Positionen – d.h. sowohl aktive Kommunikation als auch reaktive Kommunikation dahingehend, dass auf bestehende Fragen und Diskussionen eingegangen werden sollte.
Welche Vorteile bringt diese Art des Lobbyings?
Richter: Ich würde nicht in der Kategorie von Vor – und Nachteilen im Zusammenhang mit einer digitalen Interessenvertretung denken. Es ist schlicht Realität, dass digitale Kommunikation inzwischen einen Großteil der beruflichen Umfelder bestimmt. Sowohl in der Politik als auch in der Verwaltung ist es genauso wie im Privatleben: wir sind nicht mehr „nur“ in der analogen, sondern zunehmend auch in der digitalen Welt zuhause. Das hat natürlich ein Stück weit mit der Generation zu tun. Gerade Vorbereiter/innen von Entscheidungen in der Ministerialbürokratie oder in der Politikverwaltung sind heute „Digital Natives“. Das Verständnis, wie Politik funktioniert ist dort ein ganz anderes und damit wandelt sich auch die Interessenvertretung. Dem passen sich Verbände an, indem sie in die digitale Welt streben und dort auch für ihre Positionen eintreten.
Bots, Trolls und unbekannte Algorithmen von Social Media Plattformen greifen das Vertrauen in diese Kanäle immer mehr an. Inwiefern ist es für einen seriösen Verband vor diesem Hintergrund riskant, hier (öffentliche) Meinungen zu beeinflussen?
Richter: Da bin ich Idealist! Wenn sich Verbände mit ihren Standpunkten nicht gegen Bots und Trolle positionieren, wer denn sonst? Verbände haben klassischerweise eine sehr hohe Reputation, die in ihrer tiefen Branchenkenntnis begründet liegt. In den sozialen Medien ist diese Art der Reputation auch tatsächlich eine Währung. Mit dem Gewicht der eigenen Organisation die Meinungen in Debatten bei Twitter, Facebook oder Instagram positiv und fachlich zu beeinflussen, das sollte Aufgabe von Verbänden sein. Zudem wird diese Kommunikation in jedem Fall stattfinden – wenn ich als Verband daran teilnehme, kann ich diese Kommunikation proaktiv gestalten!
Über Tim Richter
Tim Richter ist Redaktionsleiter des Deutschen Verbände Forums – verbaende.com und ständiges Mitglied der Redaktion des Verbändereport. In verschiedenen Positionen setzt er die Möglichkeiten des Internets und von Social Media zur Schaffung von Öffentlichkeit ein. Er ist Mit-Herausgeber des Fachbuches „Social Media in Verbänden“ und berät Organisationen im erfolgreichen Einsatz und Umgang mit den neuen Medien.
Außerdem ist er immer wieder Autor im Verbändereport.